Was ist das für 1 Life?

Sobald der Jahreswechsel frisch hinter uns liegt, fragen wir uns oftmals, was das eigentlich für ein Leben ist, das wir führen. Wir fragen uns, wie es sein sollte, wie wir es zukünftig haben wollen, aber vor allem, warum es ist, wie es eben ist. Während draußen der Schnee fällt, liegen die Figuren in Georges Seurats »Un dimanche après midi à l’île de la Grande Jatte« auf einer Wiese, die so gartengrün ist wie ein gepflegter Kunstrasen und genießen den Sonnenschein. Es wird Pfeife gepafft, im Fluss geangelt, herumgetollt, musiziert oder still der Moment genossen. So stellt man ihn sich vor, bilderbuchartig, den typischen Sonntagnachmittag, der in diesem Fall auf der Insel La Grande Jatte stattfindet. Jeder tut, wie ihm beliebt, die Sonne scheint, die Kinder spielen, sogar ein Äffchen hat es auf das Bild geschafft. Als der Künstler Georges Seurat sein Werk mit den Maßen von zwei Metern Höhe und drei Metern Breite im Jahr 1886 zum ersten Mal dem Publikum präsentierte, sorgte es zu seiner Zeit für so manche Furore: Dies war also der berüchtigte Kunststil Pointillismus, über den man bereits redete und zu dessen wichtigsten Vertretern Seurat später zählen sollte. Gemälde im Stil des Pointillismus entfalten ihre Wirkung durch die Betrachtung aus der Ferne. Je näher der Betrachter an das Bild herantritt, desto eher wird er nichts weiter erkennen, als eine Ansammlung sich eng aneinanderschmiegender Punkte, aus denen das Bild zusammengefügt wird. Für die Menschen im 19. Jahrhundert eine eher ungewöhnliche Art der Malerei. Da die Farben nicht vermischt werden, sondern rein bleiben, enthält das Bild seine einzigartige Strahlkraft, die für die lichte Atmosphäre an diesem Sonntagnachmittag sorgt. Die Insel der Glückseligen, so würde man meinen. Die gute alte Zeit? Was hat das Bild mit unserem Leben gemeinsam? Mit unseren Sonntagnachmittagen, wo auch immer wir sie verbringen mögen. Betrachtet man das Bild genauer, so fällt seine Exaktheit, seine Akkuratesse auf, doch im nächsten Augenblick wirken die Figuren steif, wie in eine Form gegossen, um sogleich zu erhärten. Selbst der kleine Hund im Vordergrund des Bildes ist im Freudensprung reglos erstarrt. Wo bleibt die Spontanität, die Beweglichkeit der Figuren, die Freude in ihren Gesichtern? Das Bild wirkt wie eine Kulisse, die vor das wirkliche Leben geschoben wurde. Und so fragt man sich: Was ist das für 1 life? Gestern und heute, in Wirklichkeit und in der Kunst.