So verbringen Studis ihre Ferien
Leonie Tinnefeld & Anna-Theresa Lienhardt
Der durchschnittliche Studierende weicht in der Regel ein wenig ab vom Profil des normalen Urlaubers. Günstig muss es sein, viele Sterne sind nicht vonnöten. Gern weit weg, vielleicht auch schmutzig, vielleicht auch mit etwas Arbeit im Gegenzug für Kost und Logis. Und immer der Anspruch: „Mal was Neues erleben!“ Viele kennen das sicher aus Australien, Neuseeland & Co, sprich: Ländern, die jeden Herbst mit frisch gebackenen deutschen Abiturienten überspült werden. Dass man sich mit Freiwilligenarbeit aber nicht nur das obligatorische post-abituriale Findungsjahr, sondern auch den ein oder anderen Monat Semesterferien ermöglichen kann, haben vielleicht nicht alle auf dem Schirm. Dabei muss man nicht einmal allzu weite Flüge buchen – mit Freiwilligenarbeiten wie wwoof oder workaway lassen sich auch in einem bekannten Kulturkreis neue Erfahrungen machen und spannende Menschen treffen. Um Marcel Proust zu zitieren: „Eine Entdeckungsreise besteht nicht darin, nach neuen Landschaften zu suchen, sondern neue Augen zu bekommen.“
Wwoof
„Die Hände in der Erde und das Herz im Himmel“ heißt ein beliebter Ratgeber über Gartenarbeit, den Du nach deiner Wwoof-Erfahrung vielleicht gar nicht mehr nötig hast. Wwoof steht für World Wide Opportunities on Organic Farms und stellt eine spannende und billige Reisemöglichkeit dar. Organisiert wird Dir dabei nichts – Wwoof stellt gegen eine kleine Gebühr lediglich den Kontakt zu Biobauernhöfen (im weitesten Sinne) her, die dir während deines Aufenthalts ein Dach über dem Kopf und etwas zu Essen auf dem Tisch bieten. Im Gegenzug dazu wird von Dir Arbeit auf der Farm oder im Garten erwartet (Säen, Ernten, Jäten, Verpacken, Tierversorgung, vielleicht auch Kind-Versorgung,…) – das variiert in Qualität und Quantität teilweise extrem; vor der endgültigen Einigung mit dem Farmer sollten die Details definitiv geklärt werden. Das Spannende am Wwoofen ist es, an Gastgeber zu geraten, die sich als Lehrende verstehen und während der Arbeit ihr Wissen weitergeben – so erweiterst Du deinen Horizont nicht nur kulturell sondern auch fachlich. Bei größeren Hosts kommt man übrigens gut in Kontakt mit anderen Wwoofern aus aller Welt – da kann es oft wunderbar munter zugehen!
Work and travel
Anbieter wie „workaway“ oder „helpx“ funktionieren im Prinzip ganz ähnlich wie WWOOF, beschränken sich aber nicht nur auf Bio-Höfe. Wieso nicht in einem Café in Schweden die traditionellen Zimtschnecken servieren? House-Sitting in Kolumbien? In Lappland Schlittenhunde hüten? Sogar Au-Pair-Stellen werden hier angeboten. Wer billig eine Ecke der Welt kennenlernen und dabei sogar noch in intensiven Kontakt mit einer fremden Kultur kommen möchte, dem sei jede Art der Freiwilligenarbeit wärmstens ans Herz gelegt – genauso aber auch dieses: Vorsicht bei der Auswahl der Gastgeber! Die fehlende Verbindlichkeit ist – wie beim Wwoofen – Fluch und Segen zugleich. Du bist an nichts vertraglich gebunden – Dir wird aber auch nichts garantiert oder versprochen.
Volunteering
Wem das zu wild und zu unsicher ist, der kann sich natürlich auch rechtlich absichern und mit offiziellen Organisationen ins Ausland reisen, um dort freiwillig zu arbeiten. Dabei kommst Du allerdings auch ohne Transfer schnell in vierstellige Euro-Beträge und negative Erfahrungsberichte lassen sich im Internet ungefähr so leicht finden wie zahlwillige Reisebegeisterte am Ende der Klausurenphase. Wer sich auf entsprechenden Internetseiten umschaut, dem wird schnell klar: Hier soll etwas verkauft werden. Mit gründlicher Recherche und der richtigen Organisation kannst Du aber sicherlich auch auf diesem Wege das Beste aus den Semesterferien machen!
Backpacking
…definiert sich laut Wikipedia über den Rucksack als Gepäckstück, viel Zeit und wenig Vorplanung. Oft mischt sich das mit einigen Freiwilligenarbeits-Einsätzen, um den weiteren Verlauf der Reise finanzieren zu können. Beliebte Länder sind hier natürlich Neuseeland und Australien, aber auch Süd-Ost-Asien, das sich durch besonders günstige Unterkunftsmöglichkeiten auszeichnet. Die Seite statravel.com bietet jungen Menschen günstige Reisemöglichkeiten (Flüge, Versicherungsdeals) und ist ein guter Ansprechpartner für alle, die möglichst spontan reisen möchten. Aber auch das Angebot Interrail lässt sich wunderbar mit der Idee des Backpackings kombinieren – mit einer „Zug-Flatrate“ für ganz Europa oder wahlweise nur ein paar Länder (preislich gestaffelt) bekommt man die klausurenfreie Zeit ganz gut rum.
Ferienjob
Es ist ein Dauerzustand unter den Studierenden: Sie sind chronisch knapp bei Kasse und zum Ende des Monats reicht es in der Mensa manchmal nur noch für ein paar Pommes und eine Flasche Mate. In den Ferien muss dieser Missstand dann wieder ausgeglichen und der Geldstand auf dem Konto dem studentischen Lifestyle angepasst werden (so viel zu arm aber anspruchsvoll). Wer vor dem Studium schon eine Ausbildung gemacht hat, kehrt dann zurück an seinen ehemaligen Arbeitsplatz, legt als Freelancer ein paar Überstunden ein oder schuftet am Laufband einer Fabrik. Gut bezahlte Studi-Jobs für die Semesterferien gibt es zuhauf und wer nicht gerade bei Mummy oder Daddy im Unternehmen landen möchte, findet auch woanders eine Gelegenheit, um die Moneten einzutreiben. Schade nur, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man Menschen auf der Straße selbst gemalte Bilder für 2 Euro andrehen konnte…
Karriereurlauber
Sie sind diejenigen, die in den Ferien nicht nur ein Praktikum auf das nächste folgen lassen, sondern danach direkt in einen zweiwöchigen Sprachkurs einsteigen, nebenher bei 5 MOOCs angemeldet sind und schon ihr nächstes Auslandssemester planen. Solche Studierenden befinden sich zwar auf dem besten Wege, für den späteren Berufseinstieg hyperqualifiziert zu sein, stehen aber gleichzeitig an der Schwelle zu einem frühzeitigen Burn-Out-Syndrom. Kleiner Tipp: Gönnt euch eine Pause. Wer Karriere machen will, schafft es sicherlich mit Disziplin und Fleiß, aber Gesundheit ist das A und O. Schämt euch nicht dafür, in den Semesterferien für ein paar Wochen die Füße hochzulegen. Studieren kann anstrengend und kräftezehrend sein. Wer da nicht ab und zu mal die Batterien auflädt, dem wird früher oder später der Saft ausgehen. Garantiert.
Praktikum
An irgendeinem Punkt im Laufe des Studiums kann man sich vor einem Praktikum einfach nicht mehr drücken. Ob Pflichtpraktikum oder nicht, irgendwann stellt sich jeder Studi mal die Frage, ob es nicht geschickt wäre, den eigenen Studiengang On-Job auszuprobieren. Meistens entpuppt sich diese Entscheidung als eine gute, denn selbst wenn das Praktikum eine einzige Katastrophe war, hat man doch gelernt, welcher Beruf wohl eher nicht so gut zum eigenen Lebensmodell passt. Sich auf das Praktikum einzulassen, Verantwortung zu übernehmen und sich für Aufgaben freiwillig zu melden, hilft uns Studis von der trockenen Theorie in die Praxis zu wechseln. So kann man live erleben, wie ein Unternehmen von innen aufgebaut ist und wie seine Strukturen und Abläufe funktionieren. Wer sich allerdings jeden Tag zum Praktikum quält, keinerlei Freude an den Aufgaben hat oder tatsächlich nur fürs Kaffee Kochen zum Einsatz kommt, sollte ein Gespräch mit dem Ansprechpartner nicht scheuen. Wer freundlich bleibt und sein Problem genau benennen kann, kann hier nur gewinnen.
Summer School
Summer Schools haben viele Vorteile: Wer eine absolviert, kann schon in den Ferien ECTS-Punkte einheimsen, ein fremdes Land kennen lernen, interessante Leute aus aller Welt treffen und ein wissenschaftliches Thema aus einer anderen Perspektive betrachten. Und ganz wichtig: Die Fremdsprachenkenntnisse werden konsolidiert. Nachteil: Summer Schools sind extrem teuer und schneiden im Preis-Leistungs-Verhältnis zum Teil miserabel ab (700€ für einen 2-Wochen-Kurs und 5 ECTS-Punkte ohne Unterkunft?). Obwohl es also scheinbar viele Benefits gibt, sind Summer Schools für die meisten Studierenden schlicht unbezahlbar und bleiben nur der gut betuchten Elite vorbehalten. Denn während z.B. das Erasmus-Programm Auslandspraktika und Auslandssemester finanziell unterstützt, müssen Summer Schools aus eigener Tasche gezahlt werden. Einen Teil davon kann man sich später allerdings zurückholen – nämlich dann, wenn man seine Studienkosten von den Steuern absetzt.
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