Die Zukunft der Arbeit

Wie wird die Menschheit künftig arbeiten?

Lisa Kim Nguyen & Vincent Renner

Die Erde ist komplett vermüllt, extensiver Massenkonsum hat den Planeten unbewohnbar gemacht und die Menschen mussten in Raumschiffe flüchten. Was mancher Zyniker vielleicht als Ergebnis des G20 Gipfels konstatieren würde, beschreibt tatsächlich nur die Zukunft im Walt Disney Animationsfilm Wall E. Die Menschheit sitzt in ihren Raumschiffen auf bequemen Sesseln vor Bildschirmen, schlürft Getränke und muss sich nicht mehr bewegen. Arbeit? Ne, lass mal, den Planeten räumen die Roboter ja für uns auf.

Das scheint keine völlig aus der Luft gegriffene Idee, werden doch schließlich immer mehr Bereiche der Arbeitswelt automatisiert und von Maschinen übernommen. Es ist günstiger, häufig schneller und einen lästigen Betriebsrat fordern Roboter auch nicht. Aus mehreren Gründen finden Kollegen am nächsten Tag statt Dieter und Manni einen orangenen Roboterarm als neuen Kollegen. Begonnen hat diese Entwicklung mit der ersten industriellen Revolution, durch die Dampfmaschine wurden Techniken massentauglich und die Effizienz erheblich gesteigert. Die weitere Entwicklung und Paradebeispiele wie der arbeitslose Schrankenwächter sind bekannt. Die Maschine half dem Menschen einen Teil der Arbeit, und schließlich sich selbst aus vielen Bereichen, zu verdrängen. Die Zukunft der Arbeit wird häufig mit dem Schlagwort Industrie 4.0 beschrieben. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine wird intensiviert, Big Data und moderne Kommunikation sorgen für effizientere Arbeitsabläufe. Die Digitalisierung erfasst immer mehr Bereiche, zum Beispiel die Landwirtschaft. So weit, so unaufhaltbar. Doch was machen diese Entwicklungen mit der menschlichen Einstellung zur Arbeit, wie wird die Zukunft aussehen und sich anfühlen?

John Maynard Keynes (1883-1946) hatte für 2030, also in 13 Jahren, eine genaue Vision für unsere Arbeitswelt. In seinem Aufsatz „Economic Possibilities for our Grandchildren“ sagt er, dass Menschen im Jahr 2030 nur 15 Stunden die Woche arbeiten müssten. Außerdem wird sich die Wirtschaftskraft verachtfachten. Keynes Wirtschaftsprognose ging in die korrekte Richtung. Zum Beispiel hat sich das reale BIP der USA von 1930 bis 2011 versechsfacht. Für eine Prognose, die vor 100 Jahren getroffen wurde, ist das erstaunlich akkurat. Aufgrund der technologischen Fortschritte und der Akkumulation von Kapital wird auch das ökonomische Problem, die Befriedigung von Grundbedürfnissen, gelöst sein und der Mensch kann sich seiner gewonnenen Freizeit hingeben. Seit der Veröffentlichung seines Aufsatzes ist tatsächlich die Arbeitszeit gesunken, jedoch seit 1970 konstant geblieben. Die 40-Stunden-Woche ist bis heute in Deutschland gesetzlich verankert. Der gestiegene Wohlstand wurde nicht in mehr Freizeit übersetzt. Warum? Nach Ezra Klein, lag Keynes‘ Fehler darin, dass er nicht vorhersehen konnte, wie der Mensch mit dem Überfluss reagieren wird und die Macht der Gier unterschätzte. Für ihn gab es die Möglichkeit, dass Menschen mehr konsumieren würden. Er hoffte aber, dass wir uns bedeutungsvolleren Freizeitaktivitäten hingeben würden. Das ökonomische Problem besteht nicht mehr darin, seine Grundbedürfnisse zu erfüllen, sondern aus der Tatsache, dass es immer welche gibt, die mehr besitzen. Das ökonomische Problem kann also nie gelöst werden.

Benjamin Friedman, Professor an der Harvard University, hat eine andere Erklärung. Keynes traf richtige Prognosen über das Wirtschaftswachstum, lag aber bei der Einkommensverteilung falsch. Gewinne aufgrund höherer Produktivität werden nicht von jeder Gesellschaftsschicht geteilt. Das heißt, dass viele es sich nicht leisten können, weniger zu arbeiten.  Das passt auch in die Geschichte: die Einkommensungleichheit sank nach dem zweiten Weltkrieg, stieg aber in den 1970ern stark an. Keynes hat also den Anstieg des Medianeinkommens eines Arbeiters überschätzt.

Andere Faktoren, wie gesellschaftsgeformte Konsumpräferenzen erklären Keynes falsche Prognose. “We learn how to consume by consuming and how to enjoy leisure by enjoying leisure” behauptet der Ökonom Joseph Stiglitz, um die unterschiedliche Arbeitsethiken zu erklären. Vergleicht man die Anzahl von Wochenstunden von Amerikanern und Europäern, erkennt man, dass seit 1970, die Wochenstunden der Europäer sanken, während es bei den Amerikanern konstant blieb. Stiglitz prophezeit, dass Europäer ihre Arbeitsstunden reduzieren und bessere Freizeitgenießer werden, während Amerikaner weiterhin viel arbeiten und bessere Konsumenten werden.

Entspricht dieser Trend nach Reduzierung der Arbeitszeit überhaupt der Realität? Auf der Suche nach einer Antwort geht es ein Stück in die Vergangenheit, in das Werk „vita activa“ von Hannah Arendt. 1960 ist mit Bleistift im Buch vermerkt, dessen grüner Stoffeinband und Geruch beinahe nostalgische Gefühle aufkommen lassen. Doch der Inhalt scheint hochaktuell: „Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?“ Arbeit ist für den Menschen mehr als der bloße Weg zum Geld, hat teil intrinsischen Wert. Wahrscheinlich wird die Entwicklung also an einem Punkt stoppen, der Mensch wird sich nicht komplett aus der Arbeitswelt verdrängen. Doch in welcher Ferne die Kehrtwende liegt, bleibt offen.