Sind Männer die neuen Diskriminierungsopfer?

Pro

Susanne Lauck

1789 bekam die Geschichte der Frauenbewegung einen bedeutenden Aufschwung und zwar im Zuge der französischen Revolution und der damit verbundenen Idee von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit … äh pardon, Schwesterlichkeit. Frankreichs Frauen übten mit dem sogenannten Marsch der Pariserinnen ihr Recht auf Teilnahme an der politischen Öffentlichkeit aus. Ein Stein kam ins Rollen: Frauen zeigen auf, fordern, kämpfen. Bis heute stehen sie für ihre Rechte ein: Frauenrechtlerinnen also (hin und wieder gibt es auch Frauenrechtler). Sprache gilt als Spiegel der Gesellschaft und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Begriff „Männerrechtler/-in“ nicht im Duden und somit eine Wortneuschöpfung ist. Das ist das wirkliche Opfer, das die Frauenbewegung den Männern unserer Zeit abfordert –  nicht etwa die Nachteile aufgrund einer Frauenquote im Beruf, wie viele meinen. Männer haben nicht gelernt, für ihre Rechte einzustehen, sondern sehen sie als naturgegeben an.

Die Marke Frau ist derzeit sogar so ein Verkaufsschlager, dass heterosexuelle Frauen ihre Partner tendenziell auch gerne mit weiblichen Eigenschaften sehen: Die ElitePartner-Männerstudie 2017 hat gezeigt, dass sich über 90 Prozent der emanzipierten Weibchen ein fürsorgliches, gefühlvolles und zärtliches Männchen an ihrer Seite wünschen – natürlich inklusive der Erfüllung traditionellerer Anforderungen wie Versorger-Qualitäten und einem hohem Einkommen. Ist das eben anspruchsvoll oder schier unrealistisch? Was sagt ihr dazu, liebe Männerrechtler/-innen?

Contra

von Nele Spandick

Es hat aktuell Konjunktur, sich aus einer Machtposition in die Opferrolle zu begeben: Rassisten werden nur falsch verstanden, Superreiche leiden unter zu hohen Steuern und Männer sind die wahren Opfer des Sexismus. Die „Männerrechtler“ werden vor allem in Feminismus-Diskussionen laut. Es ist schrecklich, dass jede vierte Frau in Deutschland in ihrem Leben Opfer von Misshandlungen ihres Partners wird. Es ist schrecklich, dass Frauen in manchen Teilen der Welt zwangsverheiratet oder beschnitten werden. Es ist so vieles ungerecht. Statt dem zuzustimmen, wird aber lieber beklagt, dass ja auch der Mann leidet. Und ich möchte nicht argumentieren, dass Männer nicht auch mit Stereotypen zu kämpfen haben, dass nicht vor allem Männer vom Stellenabbau in der Industrie betroffen sind, dass Gewalt gegen Männer nicht existiert. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Leiden der Männer immer nur herangezogen werden, um das Leiden der Frauen zu relativieren. Im Wir-haben-alle-unser-Päckchen-zu-tragen-Stil wird dann so getan, als würden die bösen Feminist*innen den Männern das Leben schwermachen. Und das nervt gewaltig.

Niemand möchte Männern die Schuld am Sexismus geben. Sexismus ist ein gesellschaftliches Problem. Aber wenn Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern erreicht werden soll, heißt das auch, dass manche Privilegien nicht mehr existieren. Wenn mehr Frauen in Vorständen sitzen, heißt das auch, dass da weniger Männer sitzen. Und ich verstehe, dass man(n) sich dann wie das neue Opfer fühlen kann. Tatsächlich verliert man(n) aber nur seine ungerechten Privilegien.

 

Susanne Lauck
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