Seit Malte Gallée, 25, P&E-Student aus Bayreuth, für das Europaparlament kandidiert, ist er viel unterwegs. Bei einem Telefonat im Zug erzählt er von seiner Kandidatur, ökologischen Standards und warum er sich in Tansania europäisch gefühlt hat.
Malte, warum willst du für die Grünen ins Europaparlament?
Ich will ins Europaparlament, weil ich finde, dass dort viel zu wenig Menschen in unserem Alter vertreten sind. Wir brauchen da eine Stimme, um unsere Interessen zu vertreten, um die es ja in der Politik vornehmlich gehen sollte. Denn wir leben noch am längsten auf diesem Planeten.
Findest du, dass die Jugend insgesamt zu wenig gehört wird?
Bei der letzten Wahl haben gerade mal 30 Prozent der Unter-25-jährigen überhaupt gewählt. Da finde ich das schwierig zu sagen. Die jungen Leute werden auf jeden Fall zu wenig gehört. Es ist aber eher die Frage, inwiefern das ein Selbstverschulden ist. Jetzt geht es darum, dieses Selbstverschulden zu revidieren und zu zeigen, wir haben doch Bock mitzumachen.
Wie kam es dazu, dass du auf Listenplatz 22 stehst?
Das war tatsächlich eine total spontane Kandidatur. Ich bin 2010 zur Grünen Jugend gekommen, war da drei Jahre aktiv. Dann die letzten Jahre überhaupt nicht. Vor einem Jahr bin ich dann den Grünen beigetreten, weil ich mir dachte, jetzt sind wir an dem Punkt angekommen, wo wir wirklich alle aktiv werden müssen. Anfang Oktober habe ich eine E-Mail bekommen, in der sich die Kandidierenden vorgestellt haben. Als ich mir die angeschaut habe, dachte ich, da ist niemand aus unserer Generation dabei. Sollte man doch mal machen.
Kannst du von einem Moment erzählen, in dem du dich europäisch gefühlt hast?
Als ich in Tansania war, weil man Geld zahlen musste, um über die Grenze nach Uganda oder Ruanda zu kommen. Das war so der erste Moment, in dem ich gemerkt habe, hä, wieso muss ich denn jetzt zahlen? Totaler Quatsch. Da dachte ich mir, so eine Reisefreiheit wie in Europa ist schon ziemlich geil. Oder auch jetzt die ganze Zeit: Ich bin seit Wochen in Europa unterwegs und habe mit keinem Menschen Verständigungsschwierigkeiten, weil wir uns alle den gleichen Raum teilen und uns auf englisch, französisch, deutsch verstehen können. Das ist schon sehr identitätsstiftend.
Was machst du so, wenn du kreuz und quer durch Europa fährst?
In den letzten Wochen war ich in Berlin, München, Heidenheim, Madrid, mehrmals in Brüssel, jetzt noch Amsterdam. In Brüssel habe ich mich zum Beispiel mit Lobbyistinnen und Lobbyisten von Hilfsorganisationen getroffen. Ich habe mir Organisationen rausgesucht, die ich schon immer cool finde und mir angeschaut, was die so machen. WWF, Amnesty International, Transparency International. Ich will die „gute“ Lobbyarbeit zu Wort kommen lassen. Lobbying ist ja nicht per se schlecht, sondern Lobbying für Einzelinteressen der Industrie ist schlecht.
Hast du ein politisches Herzensprojekt?
Vieles! Ich fände es zum Beispiel super sinnvoll, wenn wir soziale und ökologische Standards auf WTO-Ebene in absolut alle Handelsverträge implementieren könnten. So Fairtrade für alle. Ich finde es vollkommen absurd, dass es sowas wie Fairtrade geben muss. Es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, dass man fair handelt. Ich glaube, dass man mit so einer Regelung für Produkte, die wir in die EU einführen, wahnsinnig viele der Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten auf unserem Planeten beheben könnte.
Was noch?
Ich würde Kobalt in die Liste der „3TG“ (Konfliktrohstoffe) aufnehmen und so Unternehmen dazu verpflichten, die Konfliktfreiheit nachzuweisen. Kobalt ist eines der Mineralien, die in Zukunft sehr stark gefragt sein werden für die Produktion von Batterien. Es kommt hauptsächlich im Kongo vor. Da sind die Arbeitsverhältnisse nicht so toll. Kinder kratzen es in 40 Metern Tiefe aus von Hand gegrabenen Minen. Wenn wir uns das Ethik-Label „sauberer Verkehr“ für Elektroautos aufsetzen wollen, sollten die Produkte, die darin stecken, gewisse Standards erfüllen.
Bevor du diese Ziele verwirklichen kannst – wie stehen die Chancen, dass du reinkommst?
Wir brauchen deutschlandweit 23 Prozent, dann bin ich safe drin. Die Umfragen sind gerade so auf 20 Prozent. Ich habe aber die Hoffnung, dass bis zur Wahl mindestens ein Viertel der Menschen in Deutschland gecheckt haben, dass es allerhöchste Zeit ist, eine Notbremse zu ziehen, weil wir sonst unseren Planeten gegen die Wand steuern. Klimakrise, Klimakrise, Klimakrise, Klimakrise. Ich habe mir vorgenommen, ich werde in jedem Gespräch mindestens dreimal Klimakrise sagen, damit alle Leute checken, wie ernst die Lage ist.
Stell dir vor du kommst rein. Was spürst du?
M jubelt, schreit, lacht. Ohne Witz: Die Zeit, in der wir leben, ist so dermaßen verrückt. Man kann alles doch gar nicht mehr ernst nehmen, wenn Trump Präsident ist und Bolzonaro in Brasilien anfangen will, die ganzen Naturschutzgebiete zu zerstören und in Deutschland ‘ne AfD am Start ist. Jeder Mensch, der sich darüber aufregt und denkt, dass er es selber besser machen kann, sollte jetzt aktiv werden.
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