Von einer Krise in die Nächste
Von Eva Manegold
Situation der Geflüchteten und Asylbewerber*innen in Bayreuth in Zeiten von Corona
Von Ende März an gelten aufgrund der Corona-Pandemie in Bayern bereits strenge Kontaktbeschränkungen, die nur langsam gelockert werden und unseren Alltag stark verändert haben. Wir gehen nicht mehr in die Uni, kaufen seltener ein und treffen uns kaum noch mit Freunden, wir haben vielleicht einen Job verloren, sind einsam. Wir versuchen damit umzugehen, dass das Leben wie wir es gewohnt waren und für selbstverständlich angenommen haben, auf einmal komplett anders ist. Unter solchen Einschränkungen leidet allerdings auch eine Bevölkerungsgruppe besonders, die schon normalerweise mit einem ganz anderen Alltag zurechtkommen muss als die Meisten.
Geflüchtete und Asylbewerber*innensind häufig nicht vollwertiger Bestandteil der Gesellschaft, in die sie geflüchtet sind. In engen Gemeinschaftsunterkünften oder einzelnen Wohnungen lebend, sind viele Bestandteile ihres Lebens ohnehin schon abhängig von staatlichen Einrichtungen, von Erlaubnissen und Verboten. Ein Großteil von ihnen ist bereits psychisch stark von den Erfahrungen aus dem Heimatland und von der Flucht gezeichnet. Sie benötigen psychotherapeutische Betreuung und Beratung und einen halbwegs normalen Alltag, um diese Erfahrungen zu verarbeiten. In Zeiten von Ausgangssperre, Kontaktbeschränkungen und allgemeinem Stillstand des Alltags fallen die meisten dieser Möglichkeiten und Angebote jedoch aus.
In Bayreuth warten aktuell 289 Menschen auf eine Entscheidung über Ausweisung oder Antragsbewilligung, 203 von ihnen leben in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Wilhelm-Busch-Straße. Die Regierung Oberfranken bestätigt, dass sie umfassend über die aktuelle Situation informiert wurden, auch über die Abstandsregeln und Hygienevorschriften, die jedoch etwas zynisch wirken angesichts der gedrängten Unterbringung. Nur noch den Hausverwalter*innen der Unterkünfte ist das Betreten noch gestattet. Allen Ehrenamtlichen, Flüchtlings- und Integrationsberater*innen und Besuchern jedoch nicht.
Frau Longares-Bäumler von der Caritas Bayreuth bestätigt, dass die Beratung und Betreuung der Caritas zum Beispiel zum Asylverfahren, aber auch bei persönlichen und familiären Problemen jetzt per E-Mail oder postalisch stattfinde. Doch dabei fehle natürlich das Menschliche und die Nähe der Kontakte, eine Umarmung, ein gemeinsames Lachen. Frau Longares-Bäumler betont, dass obwohl keine größeren zusätzlichen Probleme auftreten, die aktuelle Situation für viele Asylbewerber*innen sehr belastend sei.
Ähnliches berichtet auch Maen vom syrischen Verein Werte e.V. Bayreuth. hatte sich eigentlich auf die Eröffnung einer Syrisch-Deutschen Begegnungsstätte im März gefreut. Maen weiß, dass für viele Geflüchtete jetzt der fehlende Kontakt zu anderen Menschen und das dauerhafte Fremdheitsgefühl im unbekannten Land einander verstärken und psychisch schmerzen. Auch die Trennung von Familie und Freunden, die noch im Heimatland leben und die Ungewissheit über deren und die eigene Zukunft, tragen zu Stress und Sorgen bei. Viele derjenigen, die in Deutschland eigentlich arbeiten und jetzt aber teilweise ihren Job verloren haben, schicken normalerweise Geld nach Hause zur Unterstützung.
Maen erklärt, dass besonders die größeren Familien und Alleinlebende von den Einschränkungen stark betroffen seien. Während für die Letzteren vor allem die Einsamkeit und soziale Zwangs-Abkapselung eine Schwierigkeit darstellt, ergeben sich für Familien unter anderem auch organisatorische Probleme. Denn selbst wenn die Kinder in den gemeinschaftlichen Unterkünften (leider) an das enge Aufeinanderleben eher gewöhnt sind, entstehen dort und in den Familien in einzelnen Wohnungen durch die Ausgangsbeschränkungen soziale Reibungen. Mit fehlender Ganztagsbetreuung bzw. Schulunterricht und dem oft erschwerten Zugang zu den Online-Lernplattformen, bleibt hier viel Last bei den Eltern hängen. Auch generell fürchten einige Geflüchtete, dass ohne Sprachkurse, Schule und soziale Kontakte sich auch ihr Deutschniveau verschlechtern wird. Das BAMF bietet aktuell keinerlei digitale Ersatzkurse an.
Ein Umstand, der ebenfalls belastend wirkt: Zur Zeit ist Ramadan, der Fastenmonat, den viele der Geflüchteten einhalten und zu dem traditionellerweise das abendliche gemeinsame Fastenbrechen und Beten gehört. Vom 24. Bis zum 26. Mai endet er normalerweise mit dem Zuckerfest, das mit einem Festessen und gemeinsamen Ritualen gefeiert wird. Dieses Stück ihrer Heimat in Deutschland wird jedoch für die Geflüchteten dieses Jahr durch die Pandemie ausfallen. Das ist besonders schwerwiegend, da ihr Alltag schon ohne Corona deutlich eingeschränkter ist, als für die meisten Anderen.
Wer sich für und mit Geflüchteten in Bayreuth engagieren möchte, kann sich nach der Aufhebung der Corona-Einschränkungen zum Beispiel an Bunt statt Braun e.V., das Freiwilligenzentrum Bayreuth oder den Werte e.V. wenden.
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