Der Kontakt e.V. Bayreuth baut Brücken zwischen Strafgefangenen der JVA und der Zivilgesellschaft. Wie werden entlassene Strafgefangene eigentlich wieder in die Gesellschaft integriert? Was sind Hürden und Schwierigkeiten? Ein Bayreuther Student erzählt von seinem Ehrenamt und der Leiter des Vereins gibt Einblicke in seine Arbeit.
Unweit vom Bayreuther Festspielhaus erstrecken sich die Mauern der Justizvollzugsanstalt. Auch wenn tagtäglich Menschen an den Mauern und Gebäuden der Anstalt entlanglaufen und sie wahrnehmen, bleibt der Gefängnisalltag hinter den Mauern für viele fremd. Ein Austausch zwischen Strafgefangenen und der Zivilbevölkerung gibt es kaum. Seit den 70er Jahren versucht der Bayreuther Verein Kontakt e.V. genau diesen Austausch zu ermöglichen.
Christopher Pockert betrat die JVA vor zweieinhalb Jahren das erste Mal als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Kontakt e.V. Begleitet von Neugier und leichter Anspannung durchlief er damals die Sicherheitschecks am Eingang des Gefängnisses. „Bis man wirklich in dem Raum ist, wo die Häftlinge dann auch sind, muss man hunderte Türen durchqueren, riesige Sicherheits- und Stahltüren. Ausweis- und Passkontrolle, Bildkontrolle, und immer wieder unterschreiben. Dieser Prozess ist schon aufregend am Anfang. Mittlerweile gehört es halt dazu“, beschreibt Christopher seinen ersten Eindruck. Auf den Kontakt e.V. wurde der Lehramtsstudent über das Freiwilligenzentrum in Bayreuth aufmerksam. „Am Anfang wollte ich eigentlich nur einen Briefkontakt mit Gefangenen und dann bin ich in die Gesprächsgruppen mit reingerutscht, habe Eheseminare zusammen mit meiner Kollegin Silvia vorbereitet, und jetzt läuft es eben schon so lange“. Die Gesprächsgruppen finden für gewöhnlich zweimal wöchentlich statt. Ein Team aus zwei Ehrenamtlichen, vorzugsweise ein Mann und eine Frau, bereiten sie vor. An den angeleiteten Treffen nehmen zwischen acht und fünf Strafgefangene teil. „Wir sprechen über andere Themen. Wir sprechen jetzt nicht nur darüber, warum man da ist und was man gemacht hat und seit wann man hier schon ist. Meistens geht es um politische Sachen. Sie lesen ja auch Zeitung und schauen Nachrichten. Über sowas kann man sich dann leicht unterhalten.“, sagt Christopher. Bei Bedarf können auch Einzelgespräche geführt werden. Für die Einzelgespräche gibt es etwas strengere Auflagen und eine Aufsichtsperson der JVA ist anwesend. Viel Privatsphäre gibt es also nicht. Für die Teilnahme an den Gesprächsgruppen müssen die Gefangenen einen Antrag stellen. Über die Zulassung entscheidet dann letztlich die JVA. Bei der Zulassung wird auf die sozialverträglich des jeweiligen Gefangenen und auf die Gewaltbereitschaft geachtet. Denn während der Gruppengespräche sind keine Aufsichtspersonen der JVA anwesend und die Ehrenamtlichen sind mit den Strafgefangenen allein. Christopher wusste zu Beginn nicht, für welche Verbrechen die Strafgefangenen im Gefängnis sind. „Mittlerweile ist es so, dass man das dann aus den Gesprächen schon weiß. Meistens erzählen sie das auch von sich aus selbst.“ Er fühlte sich jedoch bisher immer sicher. „Wichtig ist für mich vor allem, dass man immer erfahrene Leute aus dem Team an der Seite hat.“ Christopher macht die Vorbereitung und Organisation der Eheseminare am meisten Spaß, auch wenn diese mitunter sehr anstrengend sein können. „Wir machen für 24 Leute inklusive uns Essen und Kaffee. Der Raum ist nicht so groß und es ist sehr laut und man ist danach echt geschafft. Aber es macht trotzdem Spaß. Es können zwölf Häftlinge an diesem Tag ihre Frauen sehen, in dem Raum, wo wir sonst auch immer unsere Gruppentreffen haben. Und dann haben sie wirklich mal sechs Stunden Zeit über Gott und die Welt zu reden, zu schimpfen, sich schöne Worte zu sagen.“, sagt Christopher „Sie können vor allem auch Zärtlichkeiten austauschen. Das ist häufig dann gegen Mitte und Ende der Session. Man merkt auch, wenn mal schwierige Themen gewälzt werden, wenn sie sich für zehn Minuten gegenübersitzen und nichts sagen. Dann merkt man auch, dass ein wunder Punkt angesprochen wurde.“, sagt Christopher. Das zweiwöchentlich stattfindende Eheseminar kommt vor allem den Strafgefangenen zugute, deren Frauen weit weg wohnen und daher nicht zu den regulären Besuchszeiten kommen können. Eine Frau komme laut Christopher beispielsweise aus der Region Stuttgarts und käme von dort aus immer mit dem Zug nach Bayreuth. Aufgrund des weiten Wegs lohnt es sich für sie nicht für die reguläre Besuchszeit von einer dreiviertel Stunde anzufahren. Die Eheseminare werden jedoch auch von Frauen aus dem Umland genutzt.
Neben den Gesprächsgruppen und den Eheseminaren wird auch ein begleiteter Ausgang für die Strafgefangenen angeboten. Diese sind für Gefangene vorgesehen, die kurz vor der Entlassung stehen. Sie werden vor allem von jenen genutzt, die keine Angehörigen in der Umgebung haben. „Ich muss sagen, die Ausgänge finde ich auch echt gut, weil man dann wirklich mal vier Stunden für den einen Zeit hat, man kann über alles reden. Ich bin selber manchmal, wohin gekommen, in ein Café, in dem ich vorher noch nicht war. Das ist meistens auch ganz entspannt. Sie wollen oftmals was richtiges essen und es sind so die kleinen Dinge“, sagt Christopher. Der Spagat zwischen persönlicher Nähe und Distanz sei jedoch nicht einfach. Während die Häftlinge viel Persönliches erzählen, hält sich Christopher zurück: „Namen oder irgendwas Genaueres sage ich nicht. Es bleibt oberflächlich und man lenkt das dann schon wieder so, dass es da eher um ihn geht, oder um andere Themen.“ Ob Christopher einem Ausgang zusagt entscheidet er aus dem Bauch heraus. Was ihm besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist die Sehnsucht eines Gefangenen nach Bäumen. „Wir waren oft nur eine Stunde zusammen im Hofgarten gesessen. Er hat das dann einfach auf sich wirken lassen.“ Diese Selbstverständlichkeiten eines Lebens in Freiheit sind Christopher durch sein Ehrenamt sehr bewusst geworden.

Christian Bauer-Lampl, Leiter des Kontakt e.V., ist ein gestandener Unternehmer mit vitaler Ausstrahlung und offenem Blick. Als er über seine Arbeit als Vorsitz spricht, betont er immer wieder, dass es ihm wichtig sei, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. „Meine Motivation ist die direkte Hilfe, die ich leisten möchte und im Verein auch leisten kann. Meine ganze Familie ist ehrenamtlich tätig. Man kann Geld spenden, aber mir ist es wichtig, einen direkten Zugang zu haben, wirklich zu sehen, was sich verändert. Mir bereitet es unheimlich Freude, wenn ich weiß, dass die Vereinsarbeit funktioniert.“ Als gelernter und berufstätiger Brauingenieur kennt Bauer-Lampl die unternehmerischen Gepflogenheiten, Strukturen und ihren Aufbau. Im Gespräch kommt ab und zu der Unternehmer durch, Kostenkalkulation und Finanzierung des Vereins sind besonders wichtig für den Erhalt. Im Gegensatz zum Verein seiner Frau, könne sich der Kontakt e.V. glücklich schätzen, denn er komme über die Runden. Bauer-Lampl wünscht sich mehr Unterstützung von der Stadt. Die 1700 Euro, die der Verein als Unterstützung im Jahr bekommt, hätte Bauer-Lampl am liebsten direkt zurücküberwiesen, witzelt er. Der Betrag reicht bei weitem nicht für die Vereinsarbeit aus, höchstens für einen geschenkten Ausflug für die Ehrenamtlichen als Dankeschön. Generell seien Spenden zwar hilfreich, aber keine langfristige Investition. Sie reichen beispielsweise nicht aus für eine dringend benötigte Teilzeitstelle im Übergangshaus. In dem Wohnheim können gerade Entlassene für eine befristete Dauer unterkommen. Oft haben die Gefangenen wenig soziale Kontakte oder Familien, die sie nach ihrer Entlassung bei sich zuhause aufnehmen können. Die Wohnungssuche vom Gefängnis aus gestaltet sich zudem schwierig. Es ist ein Teufelskreis: Absagen und Rückschläge würde die Gefangenen antriebslos machen. Zur Reintegration in die Gesellschaft reicht die Unterstützung der Ehrenamtler oft nicht aus. Es brauche auch feste Strukturen, die es den Gefangenen nach der Entlassung ermöglichen würden, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden, kurz: einen Neustart. Bisweilen rackert sich eine 70-jährige Ehrenamtliche allein im Übergangshaus ab, koordiniert die Anliegen, unterstützt die Entlassenen und das seit über 20 Jahren. Acht Stunden die Woche ist sie da und berät fünf Menschen, bei Vollbesetzung der Wohnungen. Wenn die Stadt allein schon zehn Stunden die Woche an Kosten übernehmen würde, könnte der Verein die Stelle im Übergangshaus als Teilzeitstelle ausschreiben und die Anstellung über den Verein laufen lassen. Damit wäre eine umfangreichere integrative Arbeit möglich, wie begleitete Arbeitsamtgänge und mehr Zeit für die Anliegen der Entlassenen.

Ohne das ehrenamtliche Engagement des Kontakt e.V. und der Landesarbeitsgemeinschaft ehrenamtlicher im Strafvollzug (LAG e.V.) hätten die Gefangenen gar keine Unterstützung. Die Justiz-Vollzugsanstalten regeln lediglich die Gefangennahme. Alles darüber hinaus, wie die psychosoziale Unterstützung oder Schaffung von Strukturen für die Reintegration durch feste Partner, die Entlassene aufnehmen, leistet sie nicht. Obwohl die Reintegration von Gefangenen wesentlich zur Funktion und zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beiträgt, wird sie vor allem auf den Schultern von Ehrenamtlichen getragen. Und auch da gibt es Mangel. So sagt Christopher passend: „So wie Gefangenen nicht rauskommen, kommen auch viele nicht rein und dieser Austausch zwischen Gesellschaft und dieser abgetrennten kleinen Gesellschaft ist eigentlich fast nicht existent.“
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