Die Rückkehr von Vintage: Second-Hand und Kapitalismus

Fotografie: Kaschma Saleh

Von Anna Kaufmann und Kaschma Saleh

Zur Second-Hand-Szene in Bayreuth und darüber hinaus. Einkaufswagen, Drehtür, das Quietschen von Kleiderbügeln über Metallstangen – man fühlt sich ein wenig an ein in die Jahre gekommenes Kaufhaus erinnert. Vor 14 Jahren erhielt das Rote Kreuz vermehrt Sachspenden und gründete daher ein Second-Hand-Geschäft. Erst in der Innenstadt, mittlerweile in der Prieserstraße in Bayreuth. Unter Second Hand versteht man „aus zweiter Hand“, also bereits von einer anderen Person getragen. Der Grundgedanke ist hierbei, für mehr Nachhaltigkeit und eine günstigere Alternative zu sorgen. Doch nimmt dieser Aspekt des Second-Hand Shoppings mittlerweile für viele eine weitaus weniger wichtige Bedeutung an. Besonders in der Modeszene wird mittlerweile durch Social Media ein modernes Bild von Second Hand vermittelt, indem es als etwas Cooles und Stylisches dargestellt wird. Dadurch ist diese Sparte auch bei jüngeren Konsumenten immer beliebter geworden. Der Begriff „Vintage“ ist hier ebenfalls von hoher Relevanz. Er bedeutet, dass die Ware aus einer bestimmten, vergangenen Zeitspanne stammt und qualitativ hochwertig ist. Haushaltswaren werden im Rot-Kreuz-Laden kaum mehr gekauft, stehen aber noch in den Regalen. „Die Kunden sind nicht sozial festlegbar.“ In Berlin und Frankfurt sei sie schon in Second Hand-Geschäften gewesen, um sich Inspiration zu holen. Man möchte schließlich mit der Konkurrenz mithalten, sagt Geschäftsführerin Kathrin Gruschwitz. Ein Hobby sei das nicht, im Laden arbeiten elf Mitarbeiter. Fünf Mal wird sortiert, bevor die Kleidung an der Stange hängt. 1,2 bis 2,8 Tonnen müssten jede Woche weggeworfen werden, etwa eine Jacke, bei der der Reißverschluss kaputt ist.

Doch auch andere Konzepte in der Umsetzung von Second Hand Läden findet man in Bayreuth wieder wie im vergleichsweise kleinen, aber extravaganten Modegeschäft in der Schulstraße: Smaragdgrüne Neonröhren über den Kleiderstangen, dahinter eine metallene Wand, in der sich der himbeerfarbene Samtteppich spiegelt. High-Fashion Plakate. An der Decke weiß grelle Leuchtstoffröhren. Hier findet man keine einfachen Second-Hand-Klamotten, sondern Vintage Mode neben neuen Designerstücken in schwarz-weiß. Die Geschäftsführer Rainer Bienlein und Commerz-Designer Robin Stöhr haben sich vor kurzem entschlossen den Vintage Laden Cronalla in Bayreuth zu übernehmen und neu zu erfinden. Ihr neuer Concept Store CommerzXCronalla vereint die zwei Welten der Designer- und Vintage-Szene und somit Extravaganz und Individualität. Stöhr und Bienlein wollen zeigen, wie man Second-Hand neu interpretieren und mit dem Vintage-Trend sowie Wandel auf dem Gebrauchtwarenmarkt umgehen kann. Es werde viel Wert darauf gelegt besondere Einzelteile zu finden und Sonderteile wieder brauchbar und stylisch zu machen. Dafür lassen sich die Inhaber von Großstädten in ganz Europa inspirieren und kooperieren unter anderem mit Schneidern in Bayreuth. Neben dem modischen und ästhetischen Aspekt liegen dennoch Nachhaltigkeit und Neuerfindung im Fokus.

Um uns ein Bild zu verschaffen, welcher Aspekt bei Euch beim Shoppen von Klamotten im Fokus liegt, haben wir Studierende an der Uni Bayreuth zu bereits getragener Ware befragt und uns damit einen Einblick in der Studierendenszene Bayreuths verschafft. In der Campus-Befragung ging es darum, ob und warum die Befragten Second-Hand Klamotten besitzen, und ob dies dem Modewandel zu verdanken ist.

Antonia, Chemie und Biologie auf Lehramt, erklärt: „Ich kauf‘ tatsächlich so ziemlich alles Second Hand. Und dann zum Großteil auf Vinted und dann auch nen kleinen Teil in local Second Hand Shops aus der Heimat.“ „Ich würde nicht sagen, dass es durch den Trend ist. Aber dadurch (…) hat das Angebot doch mehr zugenommen und man setzt sich dann mit dem Thema auseinander. (…) und ignoriert dann doch einmal mehr den H&M.“

Sebastian, Bio-Chemie sagt, äußere Einflüsse würden ihn gar nicht interessieren, denn das einzig wichtige beim Shoppen sei für ihn die emotionale Bindung zu den Kleidungsstücken. Und das glaubten wir Ihm natürlich sofort, denn schließlich hatte er ein ganz aussagekräftiges, grünes Puma-Shirt an. Und wenn das ein Herz nicht zum Explodieren bringt, was dann?

Laura, Jura, kauft ab und zu Second Hand: „Weil‘s günstig ist. Und weil ich selbst nähe und dann kann man da manchmal was draus machen.“

Manch anderen kommt es jedoch viel mehr auf die Größe an, da es wohl, unerwarteterweise, in der Second Hand Branche ganz schwierig zu sein scheint, die passenden Klamotten zu finden – ganz Besonders, wenn man überdurchschnittlich klein oder groß ist. So meint die Medienwissenschaftlerin Emily, dass sie zu klein sei, um passende Second-Hand Klamotten zu finden.

Ein Herr aus der RW-Fakultät war der Meinung, dass seine 1,93m für Second Hand Klamotten zu groß sind. Vintage Klamotten findet er dennoch sehr cool.

Ein dozierender Volljurist der Uni Bayreuth berichtete uns, dass er bereits vor Jahren auf eBay Second Hand Klamotten gekauft hat, um ein bestimmtes Kleidungsstück mit besonderem Design erwerben zu können. Heute jedoch würde er für sich keine Klamotten mehr gebraucht kaufen können, schließlich sei er knappe 2 Meter groß und Geschäftskleidung sei in dieser Größe gebraucht oft nicht verfügbar.

Auch auf dem Campus in Bayreuth sind Schnitte aus den vergangenen Jahrzehnten zurück. Was verrät das über unsere Gesellschaft? Ist die Rückkehr zu Vintage nur ein Trend der Generation Z?

2012 betrug der Umsatz im Second-Hand in den USA 9,72 Milliarden Euro, 2019 waren es schon knapp 21 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren hat sich die Second Hand Branche auch in Deutschland so weit etabliert, dass dies auch am Konsumverhalten der Deutschen ablesbar ist. Übrigens, der Trend zu Retro-Ware beziehungsweise zum Vintage-Original ist nicht neu. Mode ist zyklisch. So basierte etwa die Hippie-Mode der 70er auf einer Nostalgie für die 50er. Medienwissenschaftler fanden heraus, dass Vintage dann zum Trend wird, wenn gesellschaftliche Veränderungen bevorstehen und bewältigt werden müssen. Das nostalgische Rückbesinnen auf Produkte aus anderen Jahrzehnten weist auf das hin, wonach man sich sehnt und das man in einer anderen Zeit verwirklicht sieht. Bestimmte Formen und Designs treffen den Zeitgeist und werden zum Trend, der Innovation und Experimente für einen neuen Zeitgeist zulässt. Wer sich für Mode interessiert gilt oft als jemand, der nichts Besseres zu tun hat. Oder als jemand der zu sehr in sein Spiegelbild verliebt ist. Die Modebranche hat immer noch mit einem oberflächlichen und sexistischen Image zu kämpfen. Wenig verwunderlich, denkt man an die unwürdigen Fotoshootings von Germanys Next Topmodel, bei denen Umstylings immer wieder zu emotionalen Ausbrüchen führen. Aber vielleicht findet man genau hier die Wahrheit: Mode ist eine Erweiterung der Persönlichkeit, ein Statement, das ohne Worte auskommt. Damit sind unerwünschte Umstylings ein Angriff aufs Innerste. Mode ist damit mehr als Trend. Sie kann Rebellion, Exzentrik oder Unsicherheit Raum geben. Vintage – das ist auch die Rache an einer Konsumgesellschaft, in der Klamotten in Zellophanhüllen eingeschweißt sind und nach einmal waschen in Plastikeinzelteile zerfallen. Die Rache am Konstrukt ‚Kleider machen Leute‘. Die Rache also, an den Trägern von Kaschmirpullovern, indem man selbst Kaschmirpullover trägt. Vintage bringt Menschen auch näher an die Designer und an die Menschen, die in diesen Klamotten gelebt haben. Second Hand hat die Sprengkraft die Fast-Fashion Branche zu stürzen. Die Rückkehr von Second-Hand und Vintage ist das Comeback des Warentausches.